Wer noch immer glaubt die Social-Media-Kanäle wie Twitter, Facebook und Konsorten seien bloß Schattenwesen im digitalen Netz, die keinen echten Einfluss auf das tägliche Geschäft hätten, der irrt gewaltig. Die Flash-Mobs allerorten zeigen ja schon, dass die Social-Media-Community das »echte Leben« da draußen nachhaltig irritieren können. Bestes Beispiel aber, welche Marktmacht die webbasierten Sozialkanäle haben, ist die derzeitige Weihnachtsaktion, bei der es um die britische Hitparade geht.
X-Factor-Mastermind Simon Cowell
Der Hintergrund: »X Factor« ist eine englische Castingshow, vergleichbar zu »Starmania« oder »Deutschland sucht den Superstar«. Nun haben die jeweiligen Sieger der Show traditionsgemäß die englische Hitparade zur Weihnachtszeit unverrückbar angeführt.
Das wollten Tracy und Jon Morter nicht mehr hinnehmen, haben eine Facebook-Gruppe und einen Aufruf gestartet, sich die Single »Killing in the name of« von »Rage Against the Machine« (RATM) herunterzuladen und auf Platz 1 der UK-Charts zu bringen. RATM waren stets für ihr soziales Engagement bekannt. Gitarrist Tom Morello erklärte, dass sämtliche Erlöse des RATM vs X-Factor-Rennens, komplett in wohltätige Zwecke fließen und gespendet werden.
Der Aufruf hatte einen gewaltigen Effekt. Lange Zeit lief ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen X-Factor-Gewinner Joe McEelderry und RATM. Auch einige Internet-Radiosender unterstützten die Kampagne, indem sie den RATM-Song einmal stündlich spielen.
Bisher äußerten sich eine Handvoll prominenter Musikerkollegen positiv zu diesem ungewöhnlichen Wettbewerb. Unter anderem Sir Paul McCartney, der die Idee, dass der RATM-Song zum UK-Weihnachts-Nummer-1-Hit avanciert, für interessant und gut befindet. Auch Dave Grohl (»Foo Fighters«, »Them Crooked Vultures«, »Nirvana«) bezog in einem Radiointerview mit dem Sender »96.3 Rock Radio« Position: »Es gibt eine Menge Musik, bei der ich die dahinter stehende Intention in Frage stelle. Wenn sich die Leute dagegen wehren und beschließen: ›Hey, ich hab es satt, wir lassen diese andere Sache entgleisen für etwas Richtiges!‹, dann bin ich voll dabei.« Zudem halte er »Killing In The Nameof« für einen »unglaublichen Song mit einer starken Botschaft«, so Grohl. »Vielleicht sehnen sich die Leute ja nach etwas wirklich Bedeutsamem?«
Cheryl Cole mit X-Factor-Sieger Joe McEelderry
Anders hingegen kommentierte Cheryl Cole, die ebenfalls durch eine Casting Show entdeckt und seit 2008 in der X-Factor-Jury sitzt, die Facebook-Kampagne. Laut Cheryl nehme diese bereits biblische Züge an. Sie verglich die Kampagne mit dem Kampf zwischen David und Goliath. Cole nannte es einen ungleichen Kampf und unfair Joe gegenüber: »Wenn dieser Song, oder sollte ich sagen diese Kampagne, der amerikanischen Gruppe unser Nummer-1-Hit wird, dann täte mir das sehr leid für ihn und ich wäre tief enttäuscht.«
Rage Against The Machine
Seit gestern ist es aber fix: RATM ist zu Weihnachten die Nr. 1 in den UK-Charts. Die Social-Media-User haben Wort gehalten und bewiesen, dass sie durch Engagement und Hundertausende Downloads sehr wohl Einfluss auf das »echte Leben«, in diesem Fall das Musikbusiness und die Charts nehmen können. Tom Morello muss nun auch sein Versprechen wahr machen, ein Gratis-RATM-Konzert in Großbritannien geben, um den Fans, Usern und Unterstützern der Kampagne zu danken.
Zum Schluss noch der Siegertitel:
Initiator Jon Morter weist Vorwürfe zurück, er wolle mit der Aktion X-Factor-Mastermind Simon Cowell persönlich angreifen. Morter erklärte in einem Statement, er würde lediglich zur Abwechslung gern etwas anderes als einen X-Factor-Song zu Weihnachten hören wollen.
Fazit: Wer jetzt noch immer die Social-Media-Kanäle unterschätzt, ist selber schuld.
Bilder entlehnt von: Mirror.co.uk (2) und Billboard.com
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