Dienstag, 20. Januar 2009

Anleitung zum Unglücklichsein

Das Cottbusser Stadtmarketing machte als Auftraggeber im Gestaltungsprozess alles falsch, was man falsch machen kann. So fing’s an: Die Marketingverantwortlichen der Stadt Cottbus wollten sich nach Ablauf eines »intensiven strategischen Stadtmarketing-Prozesses« im Spätherbst letzten Jahres als Teil der Lösung ein eigenes Logo gönnen und schrieben die Gestaltung öffentlich aus: »Wir möchten alle kreativen Akteure, Profis und die Bürgerinnen und Bürger einladen, sich am Wettbewerb zu beteiligen.« 61 Arbeiten wurden eingereicht. Die Jury hat daraufhin keinen ersten Platz vergeben, stattdessen wurden die Entwurfideen der beiden Zweitplatzierten zu einem einzigen zusammengeführt. Seltsamerweise sind die beiden Preisträger, Antje Weise und Heiko Selka, selbst im Dunstkreis der politischen Elite Cottbus verwurzelt, Politiker in der »Aktive Unabhängige Bürger Partei« in Cottbus. Die eine Einreicherin hat Berufserfahrung in Trassenplanung, Geoinformatik und Vermessung, Fernerkundung und Kampfmittelräumdienst, der andere ist Liederpirat. Von Gestaltungskompetenz weit entfernt, was man dem Logo-Mash-Up schlussendlich ansieht:

Die Lausitzer Rundschau berichtet: »Nach (der Logo-) Präsentation hat gestern Totenstille unter den Verbandsgründungsmitgliedern geherrscht. Kein Applaus, nur verstohlene Kommentare zum Nebenmann.«
Nicht nur die Gestaltung des Logos selbst ist sowohl gestalterisch als auch handwerklich und von den Einsatzmöglichkeiten her misslungen, auch die Argumentation der beiden Einreicher würde jeder Stand-Up-Comedy zur Ehre gereichen – wenn es nicht so bemitleidenswert wäre.
Im Fontblog entspann sich daraufhin eine hitzige Diskussion über den mangelnden Respekt bzw. Anerkennung der Gestaltungsarbeit den Auftraggeber zuweilen den Designern zuerkennen. Die aussagekräftigsten Kommentare hatte HD Schellnack hinterlassen.

Hier in verdichteter Form zusammengefasst:
#73: Es geht gar nicht um die Qualität der Arbeiten, sondern um den Umgang mit solchen Wettbewerben, mit Designern und mit den Arbeiten. Da mangelt es vorn und hinten an Respekt. Dass nun offenbar zwei eigenständige Entwürfe zu einem zusammengepanscht werden sollen, zeigt doch, wie absurd und unsinnig Wettbewerbe sind, wenn es darum geht, eine wirklich solide Lösung zu finden, die funktioniert.

#220: Die Qualität des Entwurfes zeigt – ganz greifbar, selbst für Laien (Gottseidank) –, dass Design eben kein Allerweltsberuf ist, den jeder machen kann, nur weil er entsprechende Software auf dem Rechner hat. (…) An diesem Beispiel wird (…) deutlich, dass Design als komplexe, kommunikative Leistung, als (Zusammen-)Spiel von Auftraggeber und kreativen, begeisterten, kritischen und klugen Designern eben kein substituierbares Gut ist.
Der Prozess bedingt das Ergebnis. DAS zeigt Cottbus. Echtes Design hätte ein solches Logo nicht hervorgebracht – und die brutale Ablehnung nicht nur durch Brancheninsider, sondern auch durch die Cottbusser selbst, zeigt, dass wer GUTE Ergebnisse will (die dann besser funktionieren), mit einer bestimmten Qualität von Gestaltern zusammenarbeiten sollte und sich auf Design als PROZESS des Findens einlassen MUSS. Ich finde das ungemein ermutigend.
Was wir machen, ist NICHT austauschbar. Was wir machen, ist nicht Software bedienen. Der kreative Prozess, professionell umgesetzt, die mediale Umsetzung des menschlichen Grundbedürfnisses »Kommunikation«, übertragen auf die Sphäre von körperlosen Einrichtungen: die gibt man nicht Susi Sonntag, ohne dass es wehtut.

#234: Kritisch ist (…), dass die Stadt anscheinend ein Briefing bereits parat hatte, alle Antworten wusste, bevor man mit einem Designer redet und dann so etwas wie einen Reinzeichner sucht. Und wenn ich mir die Zitate anschaue, so ist das die Art Briefing, das eine anständige Designagentur sanft oder unsanft dem Kunden ausreden muss.
(…) Das Ergebnis ist ein 08/15-Logo, nicht weil die Gestalterin es nicht anders könnte oder wollte, sondern weil von vorn herein nichts anderes GEDACHT wurde. Ein besseres Ergebnis ist systemisch gar nicht möglich, nicht in den Spielregeln. Der Kunde glaubt zu wissen, was er will und bekommt, da er die Spielregeln determiniert, was er will – nur eben nicht das, was er wirklich braucht. Ergebnisse wie Peter Savilles Manchester-Logo oder Wolff Olins NYC sind so à priori ausgeschlossen, weil eben an sich undenkbar in den Parametern der Auftraggeber.
Die Lösung ist (…), sich ein gutes Designstudio auszuwählen (…). Entwickelt sich das nicht gut, kann man wechseln, aber man sollte Logos monogam entwickeln. Die Alternative, wenn das Ego den Wettbewerb nun unbedingt braucht, ist ein komplett OFFENER Wettbewerb, der einigermaßen hoch dotiert ist, und in dem der Auftraggeber nicht die LÖSUNG vorgibt, aber die Fragestellung präzise formuliert, Fakten zur Situation dokumentiert (möglichst umfangreich) und (ebenso) die Ziele, die erreicht bzw. die kommunikativen Probleme, die gelöst werden sollen. Idealerweise nicht als Marketing-Blase formuliert, sondern ganz handfest und ehrlich.


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